Komitas Vardapet, Georges I.
G urdjieff, Federico Mompou,
François Couturier
MODERATO CANTABILE
Anja Lechnet, François Couturier
ECM/Universal CD
(57')
Anja Lechner ist eine suchende
Künstlerin, die immer wieder auf-
regende Stücke außerhalb des Cel-
lo-Mainstream zwischen Bach und
Tschaikowsky entdeckt. Auf ihrem
aktuellen Album interpretiert sie
Werke esoterisch geprägter Kom-
ponisten des Nahen Ostens und
des Katalanen Federico Mompou
und kombiniert diese geschickt
mit drei Kompositionen des fran-
zösischen Jazzpianisten François
Couturier. Er steht ihr auf dem Al-
bum auch als Duopartner zur Sei-
te, und zusammen mit ihm gestal-
tete sie auch die Arrangements
der Stücke.
Mit drei Werken auf der CD ver-
treten ist der Komponist Georges I.
Gurdjieff (
18 6 6
-
194 9
). Er wirkte ne-
ben seiner kompositorischen Pro-
duktion als Philosoph und Schrift-
steller, außerdem begründete er
eine Weltanschauungstheorie, die
unter dem „Vierten Weg“ bekannt
wurde. Auch der Armenier Komi-
tas Vardapet (
18 6 9
-
19 3 5
), von dem
Lechner ein Stück auswählte, ver-
eint Religion und musikalisches
Schaffen. Er arbeitete als Priester,
Sänger, Musikwissenschaftler und
Komponist und gilt weithin als der
Begründer einer modernen klassi-
schen Musik Armeniens.
Ohne religiösen Bezug kom-
ponierte der dritte Komponist im
Bunde: Federico Mompou (
1 8 9 3
-
1 9 8 7
). Sein Schaffen beschränkt
sich weitgehend auf Klavierwerke
und ist vom französischen Impres-
sionismus beeinflusst.
Lechner und Couturier widmen
sich den Stücken, die oft von ar-
chaisch-schlichter Melodik ge-
prägt sind, mit großer Sensibili-
tät und klangfarblicher Phantasie.
Sie nehmen den Hörer mit auf ei-
ne faszinierende Reise in den Ori-
ent, voller Sehnsucht, Trauer und
Melancholie.
Mario-Felix Vogt
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
Gaetano Donizetti
LUCIA DI LAMMERMOOR
Diana Damrau, Joseph Calleja, Ludovic Tessier,
Nicolas Testé, Marie McLaughlin u. a., Münchner
Opernchor u. Orchester, Jesus Löpez-Cobos
Erato/Warner 2 CDs
(137')
Eine Windsbraut. Schon das Co-
ver deutet an, dass Lucy Ashton
vom schottischen Lammermoor
in Diana Damraus Auslegung kein
schwärmerisch-naives Mädchen
ist, das der Geistesgestörtheit fa-
talistisch anheimfällt. Vielmehr
scheint die Sopranistin die pa-
ckende Fallstudie einer Trauma-
tisierten vorzuführen, die unaus-
weichlich in den dunklen Tunnel
der Umnachtung rast - mit Aplomb
und vokaler Brillanz. Durch die
Sphärenklänge der Glasharmoni-
ka, meisterlich gespielt von Sa-
scha Reckert, erhält ihre Wahn-
sinns-Szene dann auch noch je-
ne Farbe des raffiniert Gespensti-
schen, die Donizetti ursprünglich
im Ohr hatte.
Die
vorliegende
Aufnahme
ist das Resultat einer Reihe von
konzertanten Aufführungen im
Juli
2 0 13
am Münchner Gasteig.
Joseph
Callejas
Edgardo
hat
Belcanto-Feuer in der Stimme -
und eine Träne (bzw. einen „Bib-
ber“, den man live freilich nicht so
definitiv hört wie auf Platte). Lu-
dovic Tézier leiht dem Enrico sein
attraktives Material, das er gele-
gentlich etwas forciert, und Dam-
rau-Gatte Nicolas Testé bringt als
Raimondo einen samtenen Bass
ins Spiel. Dirigent Jesus Löpez-Co-
bos Schließlich führt das aus Ins-
trumentalisten bekannter bayeri-
scher Klangkörper zusammenge-
stellte Münchner Opernorchester
und den Münchner Opernchor (ei-
nen Ableger des Philharmonischen
Chors) mit sensibler Routine und
legt den Solisten den adäquaten
Klangteppich.
Gerhard Persché
musik
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
~|
Wolfgang Amadeus Mozart,
Joseph Haydn
KLAVIERKONZERTE U. A.
Alexandre Tharaud, Joyce DiDonato, Les Violons du
Roy, Bernard Labadie
Erato/Warner CD
(71')
Der erste Orchesterakkord hat be-
reits beglückende Signalwirkung,
und sofort stimmt das Solokla-
vier antwortend ein. Ein kraftvol-
les, nicht ein heroisches, aber ein
apollinisch strahlendes Es-Dur
beherrscht spielerisch die Szene.
Alexandre Tharaud und die kana-
dischen Les Violons du Roy un-
ter der Leitung von Bernard La-
badie treffen genau den richti-
gen Ton von Mozarts sogenann-
tem „Jeunehomme-Konzert“ , in-
dem sie den ersten Satz aus dem
Geiste jugendlich-selbstbewusster
Emphase heraus spielen, das An-
dantino gesangvoll reflektierend
gestalten und das abschließen-
de Rondo mit tänzerischer Final-
bravour meistern. Dabei sind So-
list wie Orchester stets hellwach,
die Tempi überzeugen, jeder Ak-
zent sitzt perfekt, und die klare,
elegante Phrasierungskunst - ei-
ne Domäne des französischen Ge-
schmacks im Allgemeinen und Al-
exandre Tharauds im Besonderen
- apostrophiert nochmals den no-
blen Charakter der Komposition.
Neben dieser euphorisieren-
den Interpretation überzeugen
auch die übrigen Werke des Pro-
gramms, zumal Tharaud in der
großen Konzertarie mit der Mez-
zosopranistin Joyce DiDonato eine
ideale Partnerin hat, die sowohl
über ein makelloses Legato als
auch über die nötige dramatische
Gestaltungsintensität verfügt. Das
Konzertrondo KV
3 8 6
wird von
Tharaud mit so viel innerlicher An-
teilnahme und leuchtender Schön-
heit gestaltet, dass man sich fragt,
warum dieses Opus so selten zu
hören ist. Hervorragend zu diesem
Ensemble aus Mozart-Werken ge-
sellt sich als krönender Abschluss
Haydns chevaleresk-elegant musi-
ziertes D-Dur-Konzert. Fazit: noch
eine Aufnahme mehr für die einsa-
me Insel.
Frank Siebert
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
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KLASSIK
LE SACRE DU PRINTEMPS U. A.
Martha Atgetich, Daniel Barenboim
DG/Univetsal CD
Es war „der Höhepunkt der dies-
jährigen Festtage der Berliner
Staatsoper“, wie es im rbb hieß,
als sich Martha Argerich und Da-
niel Barenboim am
19
. April
2 0 14
an zwei (und bei Schubert auch ei-
nen) Flügel setzten und miteinan-
der musizierten. Zwei Superstars
der Klassik, die sich seit ihrer frü-
hesten Jugend in Argentinien ken-
nen, mittlerweile beide über
7 0
,
traten nach langer Zeit noch einmal
als Klavierduo auf. Nun ist der Kon-
zertmitschnitt bei der Deutschen
Grammophon erschienen.
Die beiden starteten mit Mozarts
Sonate für zwei Klaviere in D-Dur,
welche die Argerich vor mehr als
20
Jahren mit Alexandre Rabino-
vitch für Teldec aufgenommen hat-
te. Gemeinsam mit Barenboim ge-
lang ihr eine lebendig-frische Ver-
sion, nicht ganz so vorwärtsdrän-
gend-virtuos wie ihre frühe Einspie-
lung, aber auch nicht ganz so fein
und verspielt wie die
30
Jahre al-
te Interpretation des Duos Murray
Perahia und Radu Lupu (Sony).
Es folgten Schuberts Variationen
über ein eigenes Thema in As-Dur.
Schon das Thema spielten Argerich
und Barenboim sehr langsam und
kantabel. Die beiden sangen auf
den Tasten, mit viel romantischer
Poesie. Sie zelebrierten wesentlich
mehr Legato-Seligkeit als rhythmi-
sche Staccato-Frische, wie sie etwa
bei Steven Osborne und Paul Lewis
(Hyperion) zu finden ist.
Nun das Hauptwerk des Abends:
Strawinskys „Sacre“ in der vier-
händigen Fassung, vorgetragen
auf zwei Flügeln. Der Mitschnitt
klingt ungemein kraftvoll und auf-
wühlend, ist von großer emotiona-
ler Intensität getragen, auch wenn
manches Detail nicht ganz so aus-
gefeilt und transparent gezeichnet
ist wie etwa von den „professio-
nellen“ Klavierduos Grau-Schuma-
cher (Neos) oder Bugallo-Williams
(Wergo).
Gregor Willmes
MUSIK
KLANG
STEREO 1/2015 143
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